Konstanz in der Pandemie | Bildrechte: Ines Njers

Corona in Konstanz - Wo steht Konstanz nach dem Ende des Lockdowns?

Über 1.000 Konstanzer Bürgerinnen und Bürger haben in den letzten vier Monaten an den vier Befragungswellen zur Corona-Situation in Konstanz teilgenommen. Die Umfragen zeigen, wie über die Einschränkungen des alltäglichen Lebens gedacht wird, wie das persönliche Risikobefinden in der Stadt ist und inwieweit die Situation die Menschen polarisiert hat.

In der vierten Runde der Corona-Sonderbefragung beteiligten sich 1.333 Konstanzer/innen aus dem Panel der Bürgerbefragung. Die Panelteilnehmer/innen rekrutierten über eine Weiterleitung des Befragungs­links an Freunde und Bekannte zusätzlich 247 Personen. Somit liegen erneut Angaben von über 1.500 Personen vor. Die vierte Befragungswelle wurde im Zeitraum von 20. Mai bis zum 14. Juni 2020 erhoben. Die erste Welle startete Ende März.

Über die vier Erhebungszeiträume sind insgesamt 1.850 Befragungsteilnahmen aus dem Panel zu verzeichnen, davon haben 1.015 Personen an allen vier Runden teilgenommen, 266 an drei Befragungen, 210 an zwei Befragungen und 359 an einer Befragung.

Die mehrmalige Befragung der Panelteilnehmer/innen ermöglicht es, den Umgang mit der Corona-Situation im Zeitverlauf zu betrachten – also etwa Veränderungen in der Akzeptanz der Maßnahmen oder im Vertrauen in öffentliche Entscheidungsträger/innen. In der vierten Befragung stand neben wiederholten Fragen aus vorherigen Wellen die Überlegung im Mittelpunkt, was von der Corona-Krise bleiben wird.

Einigkeit in der Akzeptanz der Maßnahmen

Bereits veröffentlichte Datenanalysen ergaben, dass eine große Mehrheit der Stadt­gesellschaft die ergriffenen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung – vor allem im Bereich der Kontakt­be­schrän­kungen – für gerecht­fertigt hielt. Es gab freilich bereichsspezifische Unterschiede, etwa wenn es um die Kinder­betreuungseinrichtungen und Schulen ging. Trotzdem erschienen den Befragten mehr­heitlich auch diese Einschränkungen geboten.

Polarisierung bei Vertrauen in Institutionen und Nutzung von Mobilfunkdaten

Ein weiteres Resultat, welches mit deutschlandweiten Befragungsstudien weitgehendübereinstimmt, lautet, dass Landes- und Bundesregierung Verwaltungsbehörden und dem Gesundheits­system ein hohes Vertrauen bei der Krisen­bewältigung entgegengebracht wird. Während der Pandemiesituation polarisierten sich allerdings auch die Meinungen und Einschätzungen zu bestimmten Aspekten der Krisen­politik. Etwa 20 % der befragten Kon­stanzer/innen stehen am Ende des Lockdowns der praktizierten Eindämmungspolitik skeptisch gegenüber. Zu Anfang der Pandemie war dieser Anteil nur halb so groß. Bei den Skeptiker/innen handelt es sich den Eindrücken der Befragung zufolge weniger um Anhänger/innen von Ver­schwörungs­theorien als vielmehr um Menschen, die sich hinsichtlich ihrer gewohnten Freiheiten (zu) starken Einschränkungen ausgesetzt sahen.

In einem Bereich war die Polarisierung der Meinungen von Anfang an sehr groß: bei der Nutzung von Mobilfunkdaten zur Nachverfolgung von Kontakten nach Infektionen. Im März und April – die Entwicklung einer ‚Corona-App‘ war bereits Gegenstand der öffentlichen Diskussion – wurde zunächst allgemein nach der Nutzung von Mobilfunkdaten gefragt. Zustimmung und Ablehnung hielten sich die Waage (mit jeweils 40 %). Die Zustimmung hing sehr deutlich von der Einschätzung des per­sönlichen Risikos einer Infektion ab. Obwohl jüngere Befragte zweifellos stärker an digitalen Prozessen teil­nehmen, war interessanterweise die Zustimmung zur Kontaktverfolgung gerade bei den älteren Befragten besonders hoch. Ende Mai/Anfang Juni be­absichtigen weiterhin etwa 40 % der Befragten die nun verfügbare App auch zu installieren. Der Personen­kreis, welcher die datenschutzbewährte App ziemlich sicher nicht installieren wird, ist mit etwa 30 % weiterhin groß. Wiederum hängt die Bereitschaft zur Installation von der subjektiven Einschätzung des Infektions­­risikos ab, die bei älteren Befragten höher ausfällt. Wenig überraschend ist bei Menschen mit einer prosozialen Orientierung die Bereitschaft zur Installation höher als bei Menschen mit einer individualistischen Orientierung.

Spuren der Corona-Krise

Zur wichtigen Frage, was von der Corona-Krise bleiben wird, muss zunächst darauf verwiesen werden, dass etwa 13 % der Befragten für sich selbst krisenbedingte, finanzielle Engpässe befürchten. Angesichts der Über­repräsen­tation von höher gebildeten Personen in der Befragungsstudie dürfte der Anteil der Bevölkerung, die selbst finanzielle Einbußen im Zuge der Krise erleiden beziehungs­weise für sich erwarten, in der Stadtgesellschaft eher höher sein. Im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen er­warten die Befragten in der großen Mehrheit, dass Digitalisierungsprozesse im Alltag und im Bildungs­system einen Schub erfahren (70 %). Ähnlich hoch ist die Erwartung, dass sich flexible Arbeits­möglich­keiten längerfristig halten werden (67 %). 40 % gehen von einer besseren Entlohnung für systemrelevante Berufe aus.  Knapp die Hälfte erwartet aber auch eine Zunahme der sozialen Ungleichheit und die Stärkung radikaler politischer Kräfte. Interessant ist, dass die anfänglich geäußerte Meinung, die Krise habe auch positive Effekte auf die ökologische Nachhaltigkeit, eher zurückgeht. Nur knapp 20 % erwarten aktuell, dass sich nach Corona Klimaschutzziele schneller durchsetzen lassen. Eine Minderheit von etwa 10 % erwartet einen Abbau von Grundrechten. Gefragt, ob die er­hobenen Erwartungen auch begrüßt würden, steht die bessere Entlohnung in systemrelevanten Berufen eindeutig an erster Stelle (91 %), gefolgt von dem Digitalisierungsschub in Bildungseinrichtungen (80 %).

Aktuell geringe lokale Betroffenheit, aber Erwartung einer zweiten Welle

In den bislang veröffentlichten Ergebnissen kam immer auch das Infektionsgeschehen in der Stadt Konstanz zur Sprache. Die Inzidenzrate in den Befragungsdaten war durchwegs sehr gering (etwa 0,7 %). Die Anteilswerte für negative Testergebnisse stiegen von der zweiten Welle (2,6 %) bis zur vierten Welle (4,0 %). Die Befragten wissen ganz überwiegend, dass damit die Stadt und auch der Landkreis Konstanz ein deutlich unterdurchschnittliches Infektionsgeschehen aufweisen.

Die Anteilswerte von Befragten, die in ihrem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis positiv getestete Personen kennen, stieg von der ersten Befragung (16 %) kontinuierlich an: 32 % in der zweiten Befragung, 35 % in der dritten und 40 % in der vierten Befragungswelle. Dies mar­kiert anschaulich die Ausbreitung des Virus in der Gesellschaft sowie die Verbreitung der Nachricht, dass jemand aus dem Bekanntenkreis erkrankt ist, auch wenn die lokale Betroffenheit sehr gering blieb. Die Mehrheit von 56 % der Befragten rechnet übrigens mit einer zweiten Infektions­welle – nur etwa 15 % erwarten keine zweite Infektionswelle.   

Die Bewältigung der Pandemie wird also in den Augen der Mehrheit der befragten Konstanzer/innen noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Rückkehr zur Normalität ist mit vielen wahrge­nom­menen Risiken verbunden, vor allem dürfte – den Erwartungen zufolge – ein Anteil von etwa 10 bis 15 % der Befragten in finanzieller Hinsicht zu den Verlierern der Krise zählen. Ein noch etwas größerer Anteil in der Stadtgesellschaft steht den ergriffenen Maßnahmen insgesamt eher skeptisch bis ablehnend gegenüber. In der weiteren Gestaltung der Pandemiebekämpfung wird es darauf ankommen, diese Gruppen nicht zurückzulassen.